A Haschreck Im Lechtl
Heute möchte ich Euch von jemanden erzählen, der wohnt schon ziemlich lange hier bei uns im Lechtal - viel länger als wir alle miteinander - und es ist ein recht stiller Zeitgenosse. Und deswegen habe ich mir gedacht: Weißt du, langsam aber sicher wird es Zeit, daß ein anderer für ihn redet, denn das Still-sein könnte ihm demnächst den Kragen kosten!
Ich sitze auf einem Stein und schaue Euch zu. Immer näher kommt Ihr mir - und ich schaue Euch zu! Und immer gefährlicher werdet Ihr mir - und isch schaue Euch zu! Denn was soll ich denn sonnst tun? Nicht einmal mein Freund - der Lech - hat momentan eine Chance gegen Euch! Mit euren Baggern packt Ihr ihn und mit Euren Raupen reißt Ihr ihn auf, hinten oben wird ihm das Wasser abgedreht, und herunten schmeißt Ihr ihm frisch gesprengte, scharfkantige Steine in den Bauch. Und an der Kost - so hofft Ihr - hat er dann wieder ein Weilchen zu verdauen, daß er Ruhe gibt! Als wenn er Euch noch etwas tun könnte! Aber kaputt macht Ihr ihn mir halt so. Und dabei hat er gesagt: Weißt du was, wenn man dich schon sonst überall vertreibt, dann kommst du zu mir. Und nimm alle anderen Tierlein und Gräslein mit. Denn wißt ihr - mir geht es gut da im Lechtal, ich habe Platz! Bei mir könnt ihr leben, da könnt ihr überleben! Die Frage ist nur - wie lange noch?
Ref: Und i mecht gruaß sei wia es und mecht mi wehra kenna.
Und i mecht stark sei wia es, mecht manchmål rehra kenna!
Und i hat so gera für ålba mit meim Freund - dem Lech - a Techtlmechtl,
weil i bin nur a kloaner Haschreck im Lecht'l!
Früher - als ich noch klein war - da habe ich mir auch gedacht: Ich möchte so eine Riesen-Heuschrecke sein drunten in Afrika und mit einem Mords-Schwarm herumfliegen und alles könnten wir kurz und klein fressen und keiner könnte uns etwas anhaben... Aber nein - hat der Vater gesagt, das tun wir Lechtal-Heuschrecken nicht! Wir bleiben schön brav unter unseren Lech-Wacker (=Stein) sitzen und sind still! Weißt du, Vater, bist halt ein bißchen zu lange still gewesen. Und wie du dann geschrien hast, wie du um dein Leben geschrien hast, da hat dich halt keiner mehr gehört. Und wie hätten sie dich auch hören sollen? - Da sitzen sie zwei Meter über dem Boden in ihren Maschinen aus Blech und Gestank und Krawall. Und - ach Vater - und glaubst du wirklich, wenn sie Dich schreien gehört hätten, glaubst du, du würdest heute noch leben?
Und ich möchte so groß sein wie Ihr und möchte mich wehren können.
Und ich möchte stark sein wie Ihr, möchte manchmal weinen können.
Und ich hätte so gerne für immer mit meinem Freund - dem Lech - ein Techtelmechtel,
denn ich bin nur eine kleine Heuschrecke im Lechtal!
Eine Wiesen-Heuschrecke hat mir vor kurzem erzählt, daß ohnehin schon die halben Felder nicht mehr gemäht werden. Wozu also wollt Ihr noch dem Lech Grund und Boden abringen? Na gut, Ihr könnt schon noch ein Weilchen so weitermachen: Hier ein bißchen verbauen, dort ein kleines Staumäuerchen... Das tut Euch nichts, aber uns hier herunten, uns geht es halt an den Kragen! Und ich weiß, es fällt mehr auf, wenn in Afrika drunten die Elefanten aussterben, und man sollte alles tun, damit es da unten auch nicht so weit kommt. Aber wißt Ihr - so ein großes Vieh kann halt auch nur die Gräslein fressen, die es noch gibt, und die Gräslein, die leben dann wieder von den Tierlein, die es noch gibt. Und wenn so ein großes Tier wie Ihr das vergißt, dann könnte sein, daß Ihr vor lauter "Erde untertan machen" die Erde zerstört!
Und deswegen würde ich mir wünschen, daß Ihr zwei Augen hättet, die nicht nur Bilanzen Lesen können, sondern mit denen man in die Natur hineinschauen kann - Was würdet Ihr da nicht alles sehen! Und wenn Ihr nur zwei Ohren hättet, die nicht nur die Registrierkassa klinkeln hören, sondern mit denen man in die Natur hineinhorchen kann - Was würdet Ihr da nicht alles hören? Und wenn Ihr nur ein Herz hättet, das nicht an irgendeinen "Leistungsgesellschafts-Schrittmacher", sondern an die Natur angeschlossen ist - Wie schön könnten wir es dann haben!