Da Muß Er Durch
Hier bei Sago ist es ja so Sitte,
daß Christoph jedes Jahr zu uns sagt: „Bitte
liebe Sago-Schüler, schreibt ein neues Lied!
Und zwar in diesem Jahr mit folgendem Titel:
‚Da muß er durch!’ Na, ist das nicht wunderbar?“
Darauf wir zu Christoph: „ Naja.
Auf ‚durch’, Christoph, reimt sich überhaupt nichts außer ‚Lurch’.“
Da lächelt Cristoph nur und sagt:
„Tja! Da müßt ihr durch!“
Ja, na super! Ich habe mich gefragt, was mach’ ich da jetzt? Ich könnte jetzt natürlich ein Lied schreiben über einen Lurch, der irgendwo durch muß. Aber das machen bestimmt schon alle andern. Nee, das muß auch anders gehen: Ich versuch’s mal so:
Als ich noch Kind war, hab’ ich stets gedacht,
uns kleine Kinder, die hat der Storch gebracht.
Doch irgendwann begann ich mich zu fragen:
Wie soll der arme Storch das alles tragen?
Wie transportiert er beispielsweise mit dem Schnabel nur
außer dem Kind noch die Plazenta und die Nabelschnur?
Bis ich erfuhr, die kleinen Kinder, die bringt doch nicht der Storch:
„Nee, die kommen aus der Mumu von der Mama!“
Da mußt’ ich durch!
Ja, Sie haben sicherlich gemerkt, das Wort „Storch“ reimt sich nicht so gut auf „durch“. Das stimmt, aber dafür kann ich nichts. Daran sind im Grunde meine Eltern Schuld. Die hätten mir ja auch erzählen können, die kleinen Kinder brächte der Lurch. Haben sie aber nicht. Dabei ist es ja im Grunde ja egal, welches Tier den Job erledigt, für Kinder macht das sowieso keinen Unterschied. „Du Papa, sag mal wo kommen eigentlich die kleinen Kinder her?“ „Die, mein Junge, bringt der Lurch.“ „Echt? Und wann hat der Lurch mich gebracht?“ „Im Sommer. Denn im Winter fliegen alle Lurche in den Süden.“ Das ist ja übrigens die Wahrheit. Man will es kaum glauben, aber es fliegen tatsächlich ab und zu Lurche in den Süden. Dann allerdings im Magen eines Storches. Aber ich schweife ab. Zurück zum Lied, zweiter Versuch:
Wenig später mußt’ ich dann zur Bundeswehr.
Und die Bundeswehr ist ein gesundes Heer,
hab’ ich mir sagen lassen, denn dort
treibt man eine ganze Menge Sport.
Nun kriech’ ich schon seit Tagen durch den Matsch,
mir ist kalt, ich bin dreckig und klatschnaß
und beginne mich zu fragen: Was tu’ ich hier nur?
Ich weiß nur eins gewiß:
Ich muß da durch.
Nur ich – durch. Ja, ok. Ich verspreche, die nächste Strophe reimt sich dafür jetzt aber auch perfekt, wenn man sie im norddeutschen Dialekt ausspricht. Ich bitte dabei zu entschuldigen, daß die Strophe rein inhaltlich überhaupt nichts mit Norddeutschland zu tun hat – eher im Gegenteil:
In der Schweiz regierte mal ein Landvogt,
mit dem die Tyrannei in das Land zog,
weil er die Schweizer munter unterjochte,
weswegen man ihn nicht besonders mochte.
Wann wird der Retter kommen diesem Lande?
Schon sehr bald, denn der Vogt und seine Bande
sind grade auf dem Weg nach Küßnacht, da liegt seine Burg,
doch auch eine hohle Gasse.
Da muß er durch!
Der Wilhelm Tell liegt hier schon auf der Lauer,
und der ist auf den Landvogt ziemlich sauer,
denn er wurde von ihm dazu gezwungen
zu schießen, und zwar auf seinen eig’nen Jungen!
Nun hingegen zielt er ganz bewußt
mit seinem Pfeil auf des Landvogts Brust.
Hier gilt es, Schütze, deine Kunst zu zeigen! Jetzt nur ruhig,
Tell, stell dir vor, es wär ein Apfel!
Da muß er durch!
Ja, da habe ich auch wieder ein bißchen geschummelt. Ruhig und durch... Ich habe deshalb neulich auch mal Christoph angerufen und meinte:“ Christoph, ich krieg’s nicht hin, ich habe schon vier Strophen geschrieben, die reimen sich nicht. Was soll ich machen?“ Und er meinte: „Ja, Bodo ist doch ganz einfach: Wenn Du willst, daß zwei Worte sich richtig gut aufeinander reimen, mußt Du einfach darauf achten, daß sie am Ende gleich geschrieben werden.“ „Ach, stimmt ja!\" Ja, das will ich also jetzt mal in der nächsten Strophe ausprobieren. Ich muß dafür allerdings ein wenig in der Geschichte zurückgehen, und zwar bis in das Jahr 37 nach Christi Geburt, kurz vor dessen Tod. Jesus Christus ist ja, wie man weiß, leider sehr jung verstorben, denn er hatte es ziemlich heftig mit dem Kreuz.
Und daß er über’s Wasser laufen kann, nutzt ihm nix mehr,
denn, nun hängt er leider am Kruzifix. Er
fragt: „ Vater, ich will dich ja nicht bedrängen,
doch sag: Warum läßt du mich hier einfach hängen?“
Da sagt Gott: „Bitte nimm es mir nicht übel,
aber so steht es nun mal in der Bibel.
Und da muß man sich dran halten bei der Christian Church!
Auch du, mein Sohn Jesus!
Da mußt du durch.“
Dieser Song dauert nun schon fünf Minuten.
Und dabei habe ich noch immer keinen guten
richtigen Reim gefunden auf „durch“,
so sehr ich mir auch meine Stirn zerfurch’.
Mir scheint nichts anderes übrig zu bleiben,
als eine letzte Strophe zu schreiben
mit dem einzigen verbleibenden Reim auf „durch“.
Sie wissen ja, welcher das ist.
Genau.
Da muß ich dann wohl durch...
Da wir Deutschen ja so gerne mit dem Auto fahr’n,
bauen wir öfter mal ’ne neue Autobahn.
Das kostet uns ’ne ganze Menge Kröten,
weil Autos ja bekanntlich Kröten töten,
die jetzt nicht mehr ihr Laichgebiet erreichen können,
weil sie Leichen sind, bevor sie laichen können.
Doch es gibt ja Gott sei dank für jeden noch so kleinen Lurch
heute Tunnel unter der Straße.
Da muß er durch!