Hannes Wader

Eltern

Hannes Wader


Die Sonne geht unter und legt noch einmal
ein leichtes Rouge auf das sterbende Tal,
überschminkt alle Narben, der flüchtige Schein
vergangener Armut stellt sich wieder ein.

Ich weiß noch, der Himmel war meistens bedeckt
und die Wälder getränkt von langem, schwerem Regen,
und unter uralten Eichen versteckt
herrschten auf stolzen Höfen einsam, abgelegen
Bauerngeschlechter, hochfahrend, hart,
auch ich habe noch manche Eigenart
beibehalten aus jener Zeit und sei es nur meine Langsamkeit.

Auch ich stamme aus einem alten Geschlecht
von Leibeigenen, noch mein Vater war Knecht,
ein Rebell ohne Bildung und ohne Glück,
das gönnte ihm kaum mehr als täglich ein Stück
faden Brot ist gewürzt nur mit seinem Schweiß,
all seine verbissene Mühe, sie blieb vergebens.

Doch gaben ihm als Belohnung und Preis
am Ende seines kurzen schweren Lebens
zwei hässliche Engel am Grab das Geleit,
die Schwestern Ohnmacht und Bitterkeit,
geerbt habe ich nur seine lange Wut, vielleicht auch ein wenig von seinem Mut.

Es heißt, Arbeit schändet nicht; sie tut es doch,
so stand meine Mutter, ich sehe sie noch
in der Hochsommerhitze gebückt auf dem Feld
von Sorgen und schwerer Arbeit entstellt.

Ich hätte sie später gar reich beschenkt
so wie ein Pirat, der von See zurückgekommen
seine Mutter mit Gold und Brillanten behängt.

Nur hat sie von mir nie etwas angenommen.
Sie konnte nur geben, ihr Leben lang,
nicht nur all die Lieder, die sie für mich sang,
auch die, die ich selber schrieb, denke ich mir
und noch schreiben werde – verdanke ich ihr.

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